Minister Michael Richter hat an der Jahreskonferenz der Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder teilgenommen. Diese fand am 2. Juni 2023 in Münster statt. Zur Finanzlage der öffentlichen Haushalte stellten die Ministerinnen und Minister das Folgende fest:
1.
Die Lage der deutschen Wirtschaft war im Jahr 2022 stark von der Lockerung der coronabedingten Beschränkungen, der Inflation, der Zinswende und den Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine geprägt. Die vor allem durch stark gestiegene Energiepreise angetriebene Inflationsrate von jahresdurchschnittlich 6,9 Prozent hat die Kaufkraft der privaten Haushalte in erheblichem Maß vermindert. Zudem wirkten sich die gestiegenen Finanzierungskosten in Folge des Zinsanstiegs dämpfend auf die wirtschaftliche Entwicklung aus – zuvorderst im Bausektor.
Auch aufgrund der gezielten Unterstützungsmaßnahmen von Bund und Ländern konnte die Wirtschaftsleistung dennoch auf einem wenn auch niedrigen Wachstumspfad gehalten werden. Zum Ende des Jahres hat sich die Dynamik aber deutlich abgeschwächt. Im ersten Quartal 2023 zeigte sich eine rückläufige wirtschaftliche Entwicklung. Vor dem Hintergrund der Sicherstellung der Energieversorgung über den Winter und der Entspannung an den Energiemärkten, der relativ robusten Produktion im verarbeitenden Gewerbe sowie allmählich nachlassender Lieferengpässe fiel die Abschwächung bislang milder aus als noch im Herbst erwartet, allerdings zeigen sich aktuelle Konjunkturindikatoren deutlich schlechter als prognostiziert.
Die Lage am Arbeitsmarkt zeigt sich dennoch weiterhin stabil. Die Zahl der Erwerbstätigen als auch die der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat neue Höchststände erreicht. Auch wenn die Inflation ihren Höhepunkt überschritten haben dürfte, ist davon auszugehen, dass die Preisentwicklung die Binnenkonjunktur auf absehbare Zeit belasten wird. Die weiteren wirtschaftlichen Aussichten sind weiterhin von großer Unsicherheit geprägt und hängen u. a. stark vom Fortgang des Krieges in der Ukraine und der weltweiten geopolitischen Lage ab. Zudem macht sich der zunehmende Fachkräftemangel in immer mehr Bereichen der Wirtschaft bemerkbar.
In ihrer Frühjahrsprojektion geht die Bundesregierung für das Jahr 2023 von einem Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts von 0,4 Prozent und für das Jahr 2024 von 1,6 Prozent aus. Die Finanzpolitik steht weiter im Zeichen der Krisenbewältigung. Das gesamtstaatliche Defizit belief sich im Jahr 2022 auf 2,6 Prozent des nominalen Bruttoinlandsproduktes. Die Entwicklung der öffentlichen Haushalte wird im laufenden Jahr erneut von umfangreichen und gezielten fiskalischen Stützungs- und Entlastungsmaßnahmen sowie der starken Teuerung geprägt.
2.
Erforderlich ist eine nachhaltige Finanzpolitik, die drei Dimensionen berücksichtigt: eine ökologische, eine soziale und eine ökonomische Dimension. Die Finanzpolitik muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Deutschland die vereinbarten Klimaziele erreicht, dass der soziale Zusammenhalt gewahrt und durch eine starke Wirtschaft unterstützt wird und dass die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gesichert bleibt.
Die Finanzpolitik muss nach der notwendigen Stabilisierung im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld verstärkt die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in den Blick nehmen. In dem aktuellen gesamtwirtschaftlichen Umfeld braucht es eine zukunftsorientierte Finanzpolitik, die Deutschland auf einen preisstabilen Wachstumspfad führt und durch Setzung von Prioritäten Finanzierungslücken schließt und neue Handlungsspielräume schafft. Solide Finanzen sichern gerade angesichts steigender Zinsen die zukünftige Handlungsfähigkeit des Staates.
Trotz der andauernden Herausforderungen ist es nach Jahren der Krise erforderlich, zur haushaltspolitischen Normalität im verfassungsrechtlichen Rahmen zurückzukehren und die Tilgung der Notlagen-Kredite anzugehen. Dort, wo Konsolidierungen erforderlich sind, müssen sie wachstumsfreundlich und sozial ausgewogen ausgestaltet werden, auch um langfristig negative Folgen für die öffentlichen Finanzen zu vermeiden. Dies erfordert auch nachhaltige Investitionen in komplexe Transformationsprozesse, um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen und damit hohe Folgekosten zu vermeiden.
3.
Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder begrüßen den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz und des Bundeskanzlers vom 10. Mai 2023 einschließlich der Erhöhung der Flüchtlingspauschale als einen Zwischenschritt hin zu einer dauerhaften Beteiligung des Bundes an den Flüchtlingsausgaben von Ländern und Kommunen. Sie sind der Auffassung, dass eine gemeinsame Flüchtlingspolitik von Bund und Ländern, die die Unterstützung der Kommunen beinhaltet und einen gesteuerten Zugang, beschleunigte Verfahren und eine verbesserte Rückführung als Ziel hat, zu Verbesserungen bei der Bewältigung des Fluchtgeschehens führen wird.
Allerdings bedarf es weiterhin zwingend der Verstetigung der Bundesbeteiligung und der Installierung eines atmenden Regelsystems einer finanziellen Unterstützung durch den Bund, das sich an den Zugangszahlen der Geflüchteten orientiert und eine der Höhe nach angemessene wie sachgerechte Mitverantwortung des Bundes bei der Finanzierung sicherstellt.
Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder werden sich an dem nun anstehenden Prozess in den kommenden Monaten konstruktiv und lösungsorientiert beteiligen. Im Übrigen erwarten sie, dass die vom Bund mit den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz und des Bundeskanzlers vom 2. November 2022 sowie 10. Mai 2023 für das Jahr 2023 zugesagten Mittel von insgesamt 3,75 Mrd. Euro den Ländern nunmehr zeitnah durch eine entsprechende Änderung des Finanzausgleichsgesetzes zur Verfügung gestellt werden.
4.
Von Seiten des Bundes wird zuletzt vermehrt eine vermeintliche „Schieflage“ der Bund-Länder-Finanzen konstatiert. Dabei werden vor allem finanzielle Leistungen an die Länder für die defizitäre Lage des Bundeshaushalts verantwortlich gemacht. Es lässt sich jedoch klar aufzeigen, dass die Haushaltsentwicklung des Bundes nicht durch zunehmende Zahlungen an die Länder bestimmt wird.
Die derzeitige Haushaltslage des Bundes ist vielmehr ein durch die aktuellen Krisen (Pandemie und die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine) verursachtes, vorübergehendes Phänomen. Die Länder erkennen die vom Bund übernommene Verantwortung und die damit verbundene Übernahme von Finanzierungslasten ausdrücklich an. Sie verweisen zugleich auf die Notwendigkeit einer gesamtstaatlichen Steuerung des Krisenmanagements durch den Bund zur Stabilisierung der Gesamtwirtschaft und für die Bewältigung überregionaler Notlagen. Ungeachtet dessen haben aber auch Länder und Kommunen erhebliche Maßnahmen zur Krisenbewältigung finanziert.
Die Zahlungen des Bundes an die Länder sind häufig Folge spezifischer Belastungen, die den Haushalten der Länder aus der Bundesgesetzgebung entstehen. Daher wird es für die Länder notwendig bleiben, dass vom Bund angestoßene Haushaltsbelastungen zur Umsetzung bundespolitisch gewünschter Programme und Maßnahmen ausreichend und dauerhaft ausgeglichen werden.
5.
Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Bund in den letzten Jahren in seiner Gesetzgebung zunehmend dazu übergeht, kostenträchtige neue Bundesgesetze in den Aufgabenbereichen von Ländern und Kommunen lediglich durch höhere Umsatzsteuerfestbeträge anzufinanzieren. Eine vollständige Kompensation der tatsächlich bei Ländern und Kommunen entstehenden Kosten wird durch diese Verfahrensweise von Anfang an nicht erreicht.